Georg Philipp Telemann (1681-1767)

 

von Mascha Seitz
 
Georg Philipp Telemann war einer der bedeutendsten Komponisten des Barock. Er brachte innovative Impulse in die Entwicklung der Musik ein und veränderte die Musikwelt des frühen 18. Jahrhunderts maßgeblich. Mit seinen über 3600 Werken, darunter Orchestersuiten, Sinfonien, Konzerte, Violinsoli, Sonaten, Duette, Triosonaten, Quartette, Klavier- und Orgelmusik, schuf Telemann ein bedeutendes Gesamtwerk. Dazu gehört natürlich auch sein weltberühmtes „Viola Concerto“ in G-Dur. Wie schaffte es dieser Komponist des Barock zu einer solch bedeutenden Stellung in der Musikgeschichte?

Telemann – ein Naturtalent

Seine musikalischen Fähigkeiten erlernte Telemann hauptsächlich durch das Selbststudium. Mit nur 4 Jahren wurde er Waise. Er und seine Geschwister waren somit auf die Unterstützung von Gönnern angewiesen. Schon früh war sein außerordentliches Talent zu erkennen und er erreichte erste größere Erfolge während seines Jurastudiums in Leipzig. Dort richtete er ein „collegium musicum“ ein und wurde bald darauf Organist. Von 1708 bis 1712 war er Hofkapellmeister in Eisenach, wo er auch Freundschaft mit  Johann Sebastian Bach schloss. Nach längerem Aufenthalt in Frankfurt, wo er immerhin Musikdirektor der damaligen Universitätskirche wurde, erlangte er seinen Ruhm schlussendlich in Hamburg. Hier übernahm er die Ämter des „Cantor Johannei“ (zuständig für die Kirchenmusik Hamburgs) und das Amt des „Director Musices“ der Stadt Hamburg. Später übernahm er in Hamburg die Leitung der Oper und wurde nebenbei Kapellmeister beim Markgrafen von Bayreuth.

Wie er die Musikentwicklung maßgeblich prägte

Telemann schaffte es, praktisch alle Musikrichtungen seiner Zeit zu behandeln. Er konzentrierte sich in seinem Klangbild auf die Harmonie seines Gesamtwerks und die melodiösen Effekte. Besonders bei seiner instrumentalen Musik kann man die italienischen und vor allem französischen Einflüsse gut heraushören. Neben diesen beeinflusste die polnische Musik seine Werke. Dies macht sich zum Beispiel in den häufigeren Tempowechseln bemerkbar. Telemann besah (was damals mehr als rar war) die Bratsche mit einem Solokonzert und weiteren Stücken, die die Literatur der Bratsche maßgeblich bereicherten. Übrigens gilt er als Begründer des Streichquartetts.
Telemann gilt somit als wegweisender Musiker seiner Zeit, sowohl was den Klang, die Musikharmonie und Melodie betrifft, wie auch die Verwendung von verschiedenen Instrumenten in Kombination.

Einfluss seiner Werke

Philipp Telemann lebte von 1681 bis 1767. Seine Hauptschaffensphase als Komponist währte immerhin 46 Jahre. Er war mit allen gebräuchlichen Musikinstrumenten seiner Zeit vertraut, kannte ihre Spielweise und ihre Klangfarben. Deshalb war er ein Meister darin, die einzelnen Instrumente harmonisch zusammenzuführen, so auch in den Violinkonzerten. Er drang in unentdeckte Klangbereiche vor, so verwendete er häufig die Chromatik und Enharmonik.

Auch die literarische Strömung seiner Zeit – die Aufklärung – beeinflussten Telemanns Wirken. Dies zeigt sich zum Beispiel in seinen Vokalwerken, deren Texte er ebenso häufig selbst schrieb, wie auch von den bekanntesten deutschen Schriftstellern seiner Zeit fertigen ließ. So schrieben Autoren wie Klopstock, Brockes, Hagedorn, König, Neumeister und andere, Texte in seinem Auftrag.
In seinen Instrumentalwerken zeigt sich Telemann offen und bindet weltliche Elemente in seine Konzerte ein. Der Schlusssatz „L’Espérance du Mississippi“ der Ouvertüre „La Bourse“ zum Beispiel mit seinem Auf und Ab war eine Anspielung auf den Crash der Pariser Börse im Jahre 1720. So beschrieb Max Friedlaeder etwa seine Werke als voll „witziger und pikanter Melodien“.

Telemanns Angaben zu seinen Werken sind meistens detailliert, was den Charakter der Stücke bis heute transportieren konnte. Insgesamt schrieb er etwa 1000
Ouvertürensuiten, wovon leider nur mehr 126 erhalten sind.
Telemann war, wie schon erwähnt, ein sehr experimentierfreudiger Komponist. Dies betraf auch seine Verwendung der einzelnen Instrumente. In seinem Werk „Nouveaux Quatuors“ zum Beispiel setzt er die Rolle des Violoncellos auf gleiche Höhe wie die der anderen Instrumente. Er schreckte auch nicht davor zurück die Melodienstimmen zu ändern. So finden sich in manchen Instrumentalstücken um zwei Oktaven tiefer gespielte Violoncellos, als Alternative zu Blockflöten.

Telemanns Wirken für die Bratsche

Obwohl im Barock die Bratsche meist kaum mehr als „harmonischer Lückenfüller“ war, schrieb Telemann neben seinem „Viola Concerto“ einige Stücke, die für die Bratsche von Bedeutung sind. Ein Concerto für zwei Violen, seine 1734 fertig gestellten „Scherzi Melodichi“ - mit sieben Suiten, benannt nach den Wochentagen, die polnischen Tänze für zwei Violinen und Viola, 12 Sonaten für die Viola (da Gamba), und weitere Trios für Flöte, Viola, Violine oder Horn oder Oboe.
Das Viola Concerto ist vielleicht das erste Solokonzert für Viola, das geschrieben wurde. Es wird häufig in wechselnder Besetzung aufgeführt, kann aber auch mit der Solo-Viola und einem Quartett gespielt werden. Das Konzert besteht aus vier Sätzen. Largo, Allegro, Andante und Presto. Beim ersten Satz eröffnet das Orchester mit einem feierlichen Thema, das die Viola wiederholt, ausweitet und variiert. Die Viola tanzt anschließend im Dialog mit dem Orchester durch mehrere Tonarten. Nach einer kurzen Kadenz wird der Satz vom Orchester abgeschlossen. Der zweite Satz, Allegro, ist sehr kontrastreich mit einem schwungvollen
Thema, das wiederum vom Orchester gespielt wird. Die Viola wiederholt nur einen Teil des Themas und lässt es von den Streichern vollenden. Dann wiederholen die Viola und das Orchester das Thema in einer verschiedenen Tonarten, zum Schluss auch wie zum Beginn in G-dur.
Der dritte Satz ist ein melodisches Andante in e-moll. Die Viola stellt ein Thema vor und es scheint ein Frage-Antwort-Spiel zwischen Viola und Orchester zu entstehen.
Der vierte Satz hat zwei Teile. Entgegen des dritten Satzes hat der vierte ein fröhliches zuversichtliches Presto. Das Orchester führt das Thema ein, das die Viola wieder variiert, Noten hinzufügt und mit dem Thema nach D-dur wechselt.
Eine schnelle Passage führt über zum zweiten Teil des vierten Satzes, wo das Orchester in D eine Melodie spielt, die von der Viola in e-moll und andere Tonarten mitgenommen wird. Das Orchester bleibt in seiner Tonart, die Viola kommt auch wieder in Dur und das Stück kommt zu seinem Finale. Das ca. 14 minütige Concerto wird bis zum heutigen Tage regelmäßig aufgeführt und ist zu Telemanns berühmtesten Stück avanciert.

Kritische Stimmen

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts standen gerade seine Instrumental­werke häufig unter Kritik. Diese Kritik der nachfolgenden Generationen an seinen Werken hatte zwei wesentliche Gründe: Auf der einen Seite wurden seine Werke lange Zeit nicht genau analysiert und ausgewertet, was oberflächliche Kritik allzu leicht zuließ. Auf der anderen Seite hatte dies zur Folge, dass oft die bereits bekannten Kritikpunkte anderer Kritiker einfach übernommen wurden, ohne eigene Untersuchungen anzustellen. Carl Winterfeld zum Beispiel formulierte es so: „Ein unverkennbares Talent hat bei wirklichem Erfolge hier offenbar nur das Abgeschmackte geleistet und durch glänzenden Beifall der Zeitgenossen sich hinlänglich entschädigt gehalten, der jedoch das Widersinnige nimmer rechtfertigen kann“. Die Kritik an seinen Werken verstärkte sich zunehmend bis ins ausgehende 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit kam es zu einem außerordentlichen Geniekult. Einige Komponisten wie Bach und Händel wurden wiederentdeckt und besonders gelobt. Telemanns Werke hingegen wurden mehr und mehr als unverständlich, flach und Fabrikware abgetan. Diese Kritik bezog sich auch auf seine Person. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann nun ein Wandel in der Rezeption Telemanns. Die Musikforscher beschäftigten sich nun auch mit dem Quellenmaterial. Seine Konzerte wurden analysiert und die frühere Kritik überprüft, anstatt gleichgültig hingenommen. Max Friedlaender zum Beispiel beschrieb ihn als einer der Ersten wieder als „Eigenartigen, liebenswürdigen, interessanten Componisten, der sich von der Schablone des Zeitgeschmacks gern emancipirt“. Die Meinung rund um seine Violinkonzerte begann sich langsam zu wandeln. Immer mehr Musikforscher erkannten Telemanns Fähigkeiten und den Wert seiner Werke:  „Unfaßbar, solchen Reichtum zu besitzen und ihn achtlos in der Ecke verstauben zu lassen!“ (Max Seiffert).
Heute hat Telemann eine unanfechtbare Position in der deutschen Musikgeschichte inne, gilt als innovativer und wegweisender Komponist des Barock. Und die Analyse und hinreichende Recherche bezüglich seiner Werke dauert aber immer noch an – seine Werke sind so umfangreich, dass immer noch neue Details und Informationen zu seinen Konzerten aufkommen.
Bei all der Kritik vielleicht ein kleiner Trost für den Komponisten: 1990 wurde der Asteroid „4246 Telemann“ nach ihm benannt.

 

Quellen:

http://www.viola-in-music.com/telemann-viola-concerto.html
http://www.radioswissclassic.ch/de/musikdatenbank/musiker
https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Philipp_Telemann
https://www.dioezese-linz.at/kons/tausendsassa-telemann

 

Telemann-Zentrum in Magdeburg

Das Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung ist eine Institution, die sich wissenschaftlich mit Leben und Werk des Komponisten Georg Philipp Telemann auseinandersetzt. Auf vielfältige Weise trägt es zur Verbreitung des telemannischen Œuvres im heutigen Musikleben bei.
http://www.telemann.org/telemann-zentrum.html

 

Aquatintablatt von Valentin Daniel Preisler

Georg Philipp Telemann, koloriertes Aquatintablatt von Valentin Daniel Preisler nach einem verschollenen Gemälde von Ludwig Michael Schneider (1750)
https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Philipp_Telemann#/media/File:Telemann.jpg

 

Klangbeispiel:

Eine Aufnahme von Juri Bashmet (Solo-Viola und Dirigent) mit den Moskauer Solisten, 1992.
https://www.youtube.com/watch?v=xYsK8HJmINQ

 

Weblinks aus den Kommentaren:
https://www.youtube.com/watch?v=FqLW-vWsy2w
http://www.ardmediathek.de/tv/Lebensl%C3%A4ufe/Georg-Philipp-Telemann-Ein-musikalisch/MDR
 

 PhSch schrieb am 29.06.2017 um 20:19
Hier vielleicht eine interessante Dokumentation: http://www.ardmediathek.de/tv/Lebensl%C3%A4ufe/Georg-Philipp-Telemann-Ein-musikalisch/MDR-Fernsehen/Video?bcastId=23950672&documentId=43736890 (Weblink siehe oben)
 PhSch schrieb am 05.06.2017 um 18:29
Zu den wenigen Werken, in denen Telemann die Bratsche solistisch einsetzt, gehört auch das Quartett in d-Moll, TWV 43:d2, in dem im Kopfsatz besonders die melancholischen Qualitäten des Instruments zur Geltung kommen: https://www.youtube.com/watch?v=FqLW-vWsy2w (Weblink siehe oben)
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Viola Konzert
Nach dem Autograph herausgegeben von Yvonne Morgan als Partitur mit Continuo.
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